Mit KI zum resilienten Unternehmen

Störungen in der Produktion und damit einhergehende Qualitätsverluste bei Produkten gibt es immer wieder. Maschinenausfälle, technische Störungen, veränderte Materialzusammensetzungen von Werkstoffen, Leckagen, austretende Schmierstoffe etc., … die Ursachen sind vielfältig und oft nicht vorhersehbar. Je besser und schneller ein Unternehmen auf diese Einflüsse reagieren kann, umso resilienter, d. h. widerstandsfähiger und damit langfristig auch wettbewerbsfähiger wird es. Im Rahmen des Forschungsprojekts SPAICER werden Smarte Resilienz Services (SRS) mithilfe von KI-Methoden entwickelt. Sie sollen Unternehmen befähigen, Störungen, unter anderem in der Produktion, schneller zu erkennen und auf diese zu reagieren. Im besten Fall wird es möglich sein, diese ganz zu vermeiden, zumindest aber zu reduzieren.

Das Projekt SPAICER wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Das Konsortium setzt sich aus Forschenden, Industriepartnern sowie unterstützenden Dienstleistern aus dem IT- und Softwarebereich zusammen. Die Koordination des Forschungsprojekts liegt beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken.

Verschleißprognosen – der ideale Wartungszeitpunkt

Eine zentrale Rolle, um überhaupt Verschleiß zu erkennen, spielen die Zustandsüberwachung von Fertigungsmaschinen sowie Predictive Maintenance auf Basis der Erfassung von Echtzeitdaten.

Im Rahmen des SPAICER-Projekts soll in einem Anwendungsfall mittels Datenerfassung und -analyse durch KI der ideale Zeitpunkt ermittelt werden, wann ein Werkzeug soweit verschlissen ist, dass es erneuert werden muss, aber gerade noch gut genug ist, um eine gleichbleibende Produktqualität bzw. einen reibungslosen Produktionsprozess zu gewährleisten. Den Lead dieses Anwendungsfalls hat die Firma Feintool Systems Parts in Jena, die unter anderem Komponenten z. B. für die Automobilindustrie mittels Feinschneiden fertigt.

Um für das Forschungsprojekt detaillierte Daten des Feinschneidprozesses zu erhalten, wird die Körperschalldiagnose angewendet. Ein innovatives akustisches Verfahren. Mithilfe von KI sollen die Daten ausgewertet und eine Verschleißprognose erstellt werden, damit Mitarbeitende rechtzeitig über eine bevorstehende Wartung (z. B. Austausch sogenannter Aktivelemente) informiert werden.

Der Nutzen liegt auf der Hand: Die automatische Verschleißprognose macht Wartungsarbeiten und Prozessabläufe besser planbar. Dies spart nicht nur Zeit und Kosten, die für das regelmäßige Prüfen der Werkzeuge nötig sind, sondern steigert auch die Servicequalität als Zulieferer und Hersteller.

Optimierung von Anlagenparametern

Ein anderer zentraler Punkt ist das Einstellen der Richtmaschinen und Feinschneidwerkzeuge. Bei jedem Wechsel der angelieferten Stahlrollen, den sogenannten Coils, müssen die Maschinen und Werkzeuge gemäß den Gefügeeigenschaften der Stahlbänder neu eingestellt werden. Dies kostet Zeit und Material, denn bis die Produktion die entsprechende Qualität liefert, müssen unter Umständen 100 oder mehr Teile produziert und geprüft werden. Zwar wird zu jedem Coil ein Werkszeugnis (3.1 Zeugnis) mitgeliefert. Jedoch genügen diese Daten nicht, um die Richtmaschine und das Feinschneidwerkzeug auf Anhieb so einzustellen, dass sofort die gewünschte Qualität erreicht wird. Zu unterschiedlich sind die Charakteristiken der einzelnen Coils. Innerhalb des SPAICER-Projekts soll ein digitaler Zwilling der Coils erstellt werden, der mehr Daten, insbesondere über die Gefügeeigenschaften, enthält und so das Einstellen der Maschinen und Werkzeuge künftig effizienter machen soll.

Das Digitale Coil

Beliefert wird Feintool Systems Parts in Jena von der Reinhold Mendritzki Kaltwalzwerk GmbH & Co. KG, die Bandstahl herstellt, aufgewickelt zu riesigen Coils. Derzeit erhält jeder Kunde mit dem ausgelieferten Bandstahl ein Werkszeugnis, in dem die Charakteristik des Coils, d. h. Geometrie und mechanische Eigenschaften, beschrieben sind, und die vorgeschriebenen Spezifikationen des Kunden bestätigen.

Die Charakteristik des Coils setzt sich typischerweise neben der Geometrie aus einem Zugversuch, der chemischen Zusammensetzung, Härte und dem Gefüge zusammen. Jedoch ist dies nur ein kleiner Ausschnitt der Eigenschaften metallischer Werkstoffe. Zudem kann man nur am Anfang und Ende eines Coils Messungen durchführen, da die Tests nicht zerstörungsfrei sind. Dies hat zur Folge, dass die Parameter in den nachgelagerten Verarbeitungsschritten wie beispielsweise dem Richten und Feinschneiden bei jedem Coil-Wechsel immer wieder angepasst werden müssen und unter Umständen nicht sofort die gewünschte Produktionsqualität liefern.

Im Rahmen des SPAICER-Projekts soll mit zusätzlichen magnetischen Messungen ein Digitaler Zwilling des Coils (Digitales Coil) erstellt werden, der wesentlich aussagekräftigere Daten enthält als das bisherige Werkszeugnis.
Ziel des Forschungsprojekts ist es außerdem, auf Basis des digitalen Coils von Mendritzki und der Daten von Feintool ein umfassendes KI-basiertes Prozessmodell zu entwickeln, das automatisch die optimalen Parameter für den Richt- und Feinschneidprozess vorschlägt. So könnte die Produktion künftig im besten Fall sofort mit einer 100 % Qualität starten. deZem unterstützt bei der Entwicklung der Dateninfrastruktur und KI-Module.

Vision: Neue Geschäftsmodelle

Digitale Zwillinge eröffnen eine ganz neue Dimension bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen. So können zum Beispiel die digitalen Daten als ergänzendes Produkt mit dem physischen zusammen angeboten werden. Diese sind insbesondere in der weiterverarbeitenden Industrie insofern wertvoll, als dass Prozesse und Produktionsabläufe verbessert sowie eine konstante Produktqualität gewährleistet werden kann. Zudem könnten künftig unnötige Einrichtungszeiten, die Produktion von Testteilen und damit auch Kosten und Material gespart werden. Also eine Win-Win-Situation für Zulieferer und Kunde und die Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller Parteien durch Transparenz.